Monday, August 07, 2006

Fremdwörter

In meinem ersten Post habe ich über den Wert von Fremdwörtern geschrieben. Fremdwörter haben ihre Berechtigung dort, wo sie stilistisch mehr leisten als deutsche Wörter. Fremdwörter können sich aber auch schnell abnutzen. Denken wir an das Wort Brainstorming. Wann immer man Ideen oder Lösungen sucht, wird ein Brainstorming durchgeführt (wobei hoffentlich jeweils mehr Brain als Storm im Spiel ist;-). Nun gut. Der Verein «Deutsche Sprache e. V.» hat auf seiner Website aufgerufen, deutsche Entsprechungen zu Brainstorming einzureichen. Hier ein paar Einsendungen:

- Denkgewitter (wie erfrischend!)
- Gedankenquirl
- Synapsen-Tango
- Grübelplausch
- Fantasiegalopp
- Neuronenfeuer
- Rumspinnen
- Tüftelrunde

Weshalb nicht einmal die Sitzungsteilnehmer zu einem Denkgewitter oder einem Synapsen-Tango einladen?

Sunday, August 06, 2006

Das verteufelte Fremdwort

Die Kritik am Fremdwort hat eine lange Tradition. Im 17. Jahrhundert erlebte die Fremdwortfeindlichkeit einen ersten Höhepunkt, und zwar vor allem im Umfeld der so genannten Sprachgesellschaften. Diese wurden gegründet, um dem Sittenzerfall entgegenzuwirken; ihr besonderes Anliegen war es, die deutsche Sprache rein zu halten. Man versuchte - teilweise krampfhaft -, die Fremdwörter einzudeutschen. Einige Eindeutschungen setzten sich durch, andere wurden verworfen, weil sie lächerlich wirkten.

Durchgesetzt haben sich beispielsweise Leidenschaft (Passion), Weltall (Universum) oder Kreislauf (Zirkulation). Nicht durchgesetzt haben sich u. a. Tageleuchter (Fenster), Meuchelpuffer (Pistole) oder Spitzgebäude (Pyramide). Nase wurde fälschlicherweise für ein Fremdwort gehalten und sollte mit Gesichtserker verdeutscht werden.

Zurück zur Gegenwart: Auch heute ist das Fremdwort noch in vielen Stilratgebern verpönt. Da liest man beispielsweise: «Vermeide das Fremdwort!» oder «Kampf dem Fremdwort!» Im Jahre 2003 ist im DUDEN-Verlag ein Buch mit dem Titel «Vom deutschen Wort zum Fremdwort» erschienen - also das Umgekehrte. Es richtet sich an Leser, die für ein deutsches Wort das entsprechende Fremdwort suchen! All jene, die dem Fremdwort den Garaus machen wollen, werden darüber den Kopf schütteln. Das Buch ist also für Leute geschrieben worden, die Fremdwörter ganz bewusst verwenden wollen. Und damit stellt sich die Frage nach dem Wert von Fremdwörtern; es seien hier nur ein paar Vorzüge des Fremdworts aufgeführt:

  • In Fremdwörtern ist eine zeit- und kulturhistorische Information enthalten: Glasnost (statt Offenheit), Perestroika (statt Umgestaltung), E-Mail (statt elektronische Post).
  • Fremdwörter ermöglichen eine Nuancierung der Stilebene:
    Portier (statt Pförtner); Job (statt Beruf); Job wirkt hier umgangssprachlicher. Nicht selten erscheint das Fremdwort eleganter: Alternative (statt Ausweichmöglichkeit).
  • Fremdwörter haben versachlichende Funktion und ermöglichen dadurch das taktvolle Sprechen über heikle, unangenehme oder tabuisierende Themen wie beruflichen Misserfolg (Demission statt Entlassung, illiquid statt zahlungsunfähig), Krankheit (Epilepsie statt Fallsucht, Handicap statt Behinderung, Inkontinenz statt Bettnässen). Insbesondere im Sexualbereich fehlen im Deutschen vielfach neutrale, d. h. stilistisch nicht markierte einheimische Wörter, sodass die entsprechenden Fremdwörter wirkliche Bezeichnungslücken schliessen können.
  • Fremdwörter ermöglichen Variation im Ausdruck. Um den Stil durch die Verwendung sinnverwandter Wörter zu bereichern und störende Wiederholungen zu vermeiden, gibt es zum Fremdwort oft keine Alternative: Feinkost - Delikatesse; Mitlaut - Konsonant; Nachtisch - Dessert.
  • Fremdwörter dienen der Präzision und Kürze. Deshalb werden sie gerne unter Fachleuten gebraucht. Manche Fremdwörter lassen sich überhaupt nicht durch ein einziges deutsches Wort übersetzen, sondern müssen umschrieben werden (Aggregat, Automat, Politik).

Eine Gefahr der «Überfremdung» der deutschen Sprache, wie das immer wieder befürchtet wird, besteht nicht. Viele Fremdwörter sind sehr kurzlebig. Die Aufnahme neuer Wörter und das Aussterben alter Fremdwörter hält sich seit Jahrhunderten die Waage. In fortlaufenden Zeitungstexten beträgt der Fremdwortanteil zwischen 8 und 9 %.

Schlussgedanken:

  • Goethe: «Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.»
  • Die Herkunft eines Wortes ist für den Gebrauch nicht entscheidend, sondern die Leistung. Wenn das Fremdwort in einem Satz mehr leistet als das deutsche Wort, wählt man das Fremdwort!
  • Es lohnt sich für alle sprachlich Interessierten, den DUDEN «Vom deutschen Wort zum Fremdwort» zu kaufen!